Die Holler-Ecke
Für die Menschen war es wichtig, einen guten Kontakt mit der Hausgöttin zu pflegen. In jedem guten Garten stand ein Hollerbusch. Man durfte ihn jedoch nicht selbst pflanzen, sondern es galt als Segen der Göttin, wenn er seinen Platz im Garten, am Haus oder einer geschützten Ecke am Stall von alleine fand. Dort wurde er dann gehegt und gepflegt. Man hatte früher eine sogenannte Hollerecke im Garten, wo Opfergaben hingetragen wurden. Die Hausfrau goss zum Beispiel regelmäßig Wasser oder Milch an die Wurzeln.
Totenbaum
Früher glaubte man, dass die Ahnen und verstorbenen Angehörigen sich manchmal Ferien aus der Totenwelt nahmen, um ihre Familie im Diesseits zu besuchen. Sie verweilten dann im Hollerbusch, ihrem Urlaubsdomizil auf Erden. Da auch die Toten Nahrung brauchten, und man sich besser mit ihnen gut stellte, brachte man ihnen Milch und weiße Speisen und stellte sie unter den Holunder. Man trank bei Totenwachen Holunderblütentee. Der Sargschreiner nahm mit einer Elle aus Hollerholz Maß. Oft wurden auch die Grabkreuze aus Holunderholz aus dem Garten des Verstorbenen gefertigt. Schlug dieses wieder aus, nahm man das als gutes Omen. Man bettete die Toten auf Holunderreisig, und Bestatter trugen nicht selten ein Holunderholz mit sich, um sich vor bösen Geistern zu schützen.
Tor zur Unterwelt
Der Holler galt nicht nur als Wohnsitz der alten Göttin, er war auch ein Tor zur Unterwelt, zum Reich der Zwerge und anderer Wesen. Das unterirdische Volk war Hüter der Schätze, wie Gold, Edelsteine und Heil-Geheimnisse. Auf verschlungenen Wegen konnte man ihnen ihr Wissen entlocken. Dazu war aber zumeist eine List nötig. Am besten stellte man sich dumm, denn dann würden sie einem voll Spott alles Wichtige enthüllen, ohne es zu bemerken.
Schamanen Baum
Schamanen setzten sich unter den Holler und reisten in tiefer Meditation hinab in die Unterwelt, um von dort verborgenes Heilwissen und wichtige Erkenntnisse heraufzubringen. Es wäre sicher mal einen Versuch wert, unter einem Holler zu meditieren und zum Vergleich noch unter einem Apfelbaum. So bekommt man einen deutlicheren Eindruck von der Qualität des jeweiligen Baumes.
Hüter der Schwelle
Der Holler war ein Hüter der Schwelle zur Anderswelt. Wenn man sich an besonderen Tagen wie Beltane (1. Mai), zur Sommersonnenwende (21. Juni) oder gar an Samhain (31. Oktober) zu Füssen dieses Busches setzte, war es, mit etwas Glück, möglich, den Feenkönig auf seinem weißen Pferd vorbeireiten zu sehen. Oder es offenbarten sich die Zwerge mit ihren Schätzen. An Johanni und Beltane, so erzählte man sich, konnte man die Elfen unter dem Holler tanzen sehen.
Die Farben der Göttin
Schwarz, Weiß und Rot sind ebenfalls im Holler enthalten. Weiße Blüten verkörpern die jungfräuliche Göttin, der rote Saft der Beeren steht für die Fruchtbarkeitsgöttin und das Schwarz der Beeren erinnert an die alte Göttin, die an der Schwelle zum Tod steht. Diese Farbzuordnungen zu den verschiedenen Lebensstadien sind besonders im keltischen Raum verbreitet.
Heilzauber
Zu alten Zeiten hängte man dem Holunder Krankheiten an. Dazu bedurfte es eines guten Reimes und tiefer Entschlossenheit, die Krankheit los zu werden. Manchmal nahm man einen Fetzen vom Gewand des Kranken, wenn dieser selbst nicht mehr laufen konnte, oder einen roten Faden. Den band man dann, das Sprüchlein sagend, an einen Ast des Hollerbusches.
„Holunder! Holunder! Holunder! Auf mich kriecht die Kälte; wenn sie mich verlassen wird, kriecht sie dann auf Dich!“
„Goden Abend, Herr Fleder, hier bring ick min Feber!“
„Zweig, ich biege Dich. Fieber nun lass mich. Hollerast, hebe Dich auf, Rotlauf setze Dich drauf! Ich habe Dich einen Tag, hab Du´s nun Jahr und Tag.“
Hatte man Zahnschmerzen, ging man rückwärts aus der Stube zum Holler, während man dreimal folgendes Sprüchlein sagte: „Liebe Hölter, leiht mir einen Spälter, den bring ich Euch wieder.“ Dann entnahm man dem Holler einen kleinen Span, rieb ihn an der schmerzenden Stelle und steckte ihn dann wieder in die Spalte. Der Baum würde den Schmerz mit sich in die Erde hinunterziehen.
Aberglaube
Man fällte keinen Holunder, denn es brachte Unglück und vielleicht sogar den Tod. Musste man doch mal einen fällen, durften das nur Kinder und Witwen tuen, denn sie genossen das besondere Wohlwollen der Holda. Wenn ein Holzfäller eine Fällung nicht vermeiden konnte, kniete er zunächst nieder, nahm seinen Hut und sprach folgende Worte: „Frau Elhorn, gib mir von Deinem Holze, dann will ich Dir von meinem auch was gebe, wenn es wächst im Walde.“ Auch als Feuerholz war der Holler ungeeignet, denn man fürchtete sich davor, den Rauch einzuatmen.
Quellen
Fred Hageneder, „Geist der Bäume“, 2. Auflage, Neue Erde Verlag;
Wolf Dieter Storl, „Die alte Göttin und ihre Pflanzen“, 1.. Auflage, Kailash Verlag;
„Hexenkraut und Zaubertrank“, Abraham und Thinnes, 3. Auflage, Verlag Urs Freund;
Bächtold-Stäubli, Hanns, „Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens“,10 BdeBerlin: Walter de Gruyter, Weltbild 2005
Susanne Fischer-Rizzi, „Blätter von Bäumen“ 2. Auflage, Irisana
C. Müller-Ebeling, C. Rätsch, W.-D. Storl, „Hexenmedizin“, 4. Auflage AT Verlag
Wilhelm Mannhardt, „Wald- und Feldkulte“ 2 Bde, 2005, Elibron Classics
„Hollenzauber“ ist in Teilen mein erster Beitrag in einer Ausgabe der Zeitschrift „Heil und Kraut“ gewesen, für die ich einige Artikel geschrieben habe.

