Doch beginne ich am besten von vorne: Es fing schon ganz früh an, eigentlich mit meiner Geburt. Ich bin in eine sehr alte Familie geboren, die seit Jahrhunderten ein Schloss besaß – Schloss Weissenhaus. Schon als Kind liebte ich Märchen und Liebesgeschichten, war hoffnungslos romantisch und bin es bis heute. Die Umgebung, in der ich aufwuchs, war ebenfalls märchenhaft und befeuerte diese Gefühle.
In meiner Jugend musste ich mich von allem lösen, wie es so viele in dieser Phase tun, um mich selbst zu finden. Ich ließ alte überkommene Werte los und stellte vieles in Frage, was ich vorher so kindlich vertrauensvoll geglaubt hatte. Mein Glaube an die Liebe wurde mehrmals tief erschüttert, und ich lernte viel über die Sterblichkeit. Auf schwierigen und verschlungenen Pfaden kehrte ich schließlich nach Hause zurück.
Als mein Vater nach dem Tod meiner Großeltern das Schloss übernahm, verwandelte er es in ein Hochzeitsschloss, in dem sich innerhalb von 10 Jahren an die 600 Paare das JA-Wort gaben. Ich arbeitete zu der Zeit im Familienbetrieb mit und erlebte viele der Hochzeiten aus den verschiedensten Perspektiven: als Tellerwäscherin, Küchenhilfe, Assistentin für den Blumenschmuck, Unterstützerin der Hochzeitsplanerin und der Banquetchefin und manchmal auch als Gast.
Es gab alles, von sehr schlicht und bescheiden in unserer Standesamts-Dependance bis hin zu rauschenden luxuriösen Festen. Ganz gleich, wie klein oder groß das Portemonnaie der Paare war, alle fühlten sich bei uns wie König und Königin und wurden auch wie solche behandelt. Wir gaben der Liebe und der Würde jedes einzelnen ein Dach und Raum.
Unser Weissenhaus wurde zu einem Ort der Begegnungen, und immer war da auch die Liebe mit im Spiel. Ich lernte in der Zeit viel über die Verbundenheit von Menschen zu bestimmten Orten und erkannte, dass unser Weissenhaus nicht uns allein gehörte, sondern für Unzählige zum Herzensort geworden war. Inzwischen war ich Geschäftsführerin der Boutique, die auch als Rezeption für Hochzeiter und andere Gäste diente. An den strahlenden Augen sah ich, schon bevor die Gäste etwas sagten, dass sie ein Stück ihres Herzens an diesen Ort verloren hatten.



