Samhain und die andere Seite

Wenn der Oktober in den November übergeht, wird es draußen immer stiller, und auch in uns wird das Schweigen immer lauter. Es ist keine Einkehr, auch kein innerer Friede sondern eher Nachdenklichkeit und vielleicht sogar Angst. In diesen Tagen stellen wir uns verstärkt den unangenehmen Fragen, die wir so gerne verdrängen. Auch die Festtage des Jahres konzentrieren sich auf das große Thema, das uns alle betrifft, und von dem wir dennoch so wenig wissen. Es geht, Du ahnst es schon, um den Tod und die Frage, was danach kommt.

 

In unserer Kultur werden wir nur sehr dürftig an dieses Thema herangeführt und meistens trifft uns der Tod unvorbereitet. Ein Nachbar oder die Oma. Wenn wir Kinder sind und dem Tod begegnen, gehen wir meist sehr ungezwungen damit um. Was uns da am meisten irritiert, ist die Hilflosigkeit und die Trauer der Erwachsenen, die wir sonst vermutlich noch nie haben weinen sehen. Dem Tod haftet immer so etwas Endgültiges an, was uns dann wirklich die Luft zum Atmen nimmt und diesen Teil unseres Lebens so unglaublich ungnädig und erbarmungslos erscheinen lässt.

 

Doch das Jahresrad lehrt uns etwas anderes. Im Jahresrad gibt es keinen Anfang und kein Ende, denn dort, wo alles einmal seinen Anfang genommen hat, endet auch alles wieder. Das Jahresrad ist ein ewiges Beginnen und Enden. Daher kommt auch der Spruch: „Jedes Ende ist auch ein Anfang.“ Im Jahreskreis markiert der Übergang vom Oktober in den November den Tod und die Geburt zugleich. Kann es nicht auch sein das wir in den Tod hineingeboren werden und in das Leben hineinsterben? Was kommt denn nach dem Tod? Vielleicht ein neues Leben, vielleicht eine andere Daseinsform, vielleicht der Himmel oder die Hölle oder das, von dem wir glauben, das uns erwartet, wenn wir über die Schwelle des Todes treten. Keiner weiß es. Wir sehen nur den Verfall im Diesseits, an der Oberfläche, und das stimmt uns traurig und melancholisch.

 

Die Natur kann uns viel über die Qualitäten des Todes verraten, wenn wir sein Phänomen in ihr beobachten. Stirbt eine Pflanze an der Oberfläche ab, so treibt sie im Verborgenen oft wieder frische Triebe. Legt sich ein Baum auf die Seite, so bettet er sein Haupt meist auf unzähligen Nachkommen, die aus seinem Humus erwachsen. Er hat durch seinen Tod Raum und eine Grundlage für neues Leben geschaffen. Das führt mich zu dem Gedanken, dass das Leben kein geschlossener Kreis, sondern vielmehr eine immer weiter werdende dreidimensionale Spirale ist. Die Spirale ist ein Symbol so alt wie das Leben; vermutlich ist sie selbst das schönste Symbol für das Leben.

 

An Samhain feiern wir also nicht nur den Tod sondern auch den Neubeginn, der häufig erst möglich ist, wenn wir vorher etwas loslassen. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November kannst Du Dich besinnen auf all das, was Du aus dem vergangenen Jahr loslassen möchtest und Dich ganz darauf konzentrieren. Sieh es als einen Sterbeprozess an, der Dir die Chance gibt, Dich von Ballast zu befreien und Raum für neues zu schaffen. Und freue Dich auch gerne schon auf das Neue, das an die Stelle des Alten treten soll.

 

Lang sind die Nächte nun – und kalt,

geheimnisvoll und still liegt der Wald,

wenn die Schleier der Dämmerung

zwischen den Bäumen ziehen.

 

Bang geht der Wanderer

Schritt um Schritt

einen wilden Pfad;

sich nicht zu verirren,

auf dem schmalen Grad.

 

Wer traut sich wohl,

den Schleier zu durchdringen,

einen Blick zu wagen

in das Reich der Fee.

 

Geheimnisse flüstern

in jedem Strauch und jedem Baum,

doch verstehen kann nur

der Herzmutige sie in seinem Traum.

 

Die Baumflüsterin

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